Der Historiker Stefan Hördler über die Aufgabe der Holocaustforschung. Ein Gespräch mit Kulturredakteur Stefan Nölke
"Wir müssen das, was wir hier erlebt haben, in die Welt hinausschreien", so erzählt die junge Berliner Jüdin Charlotte Grunow fünf Tage nach ihrer Befreiung über das Vernichtungslager Auschwitz. Es ist einer der ersten Radioberichte über den Tod von Millionen und das unermessliche Leid der Überlebenden. "Es gibt so schreckliche Sachen, die man erlebt hat, dass man keine Worte findet sie zu schildern", so Charlotte Grunow, "und jemand der nicht dabei gewesen ist, der wird das gar nicht begreifen."
In gewisser Weise formuliert Charlotte Grunow hier in diesen bewegenden Worten unmittelbar nach dem Geschehen schon die Aufgabe für die Historiker, sagt Stefan Hördler, einer der führenden deutschen Holocaustforscher, nämlich das vermeintlich Unbegreifliche erklärbar zu machen. Stefan Hördler - in Weimar zuhause, an der Universität Göttingen lehrend - hat sich in über zwei Jahrzehnten Forschungsarbeit insbesondere mit den Tätern, das heißt mit dem SS-Personal der Vernichtungsmaschinerie beschäftigt.
Was waren das für Leute - auch in den unteren und mittleren Rängen? Was trieb sie an und wie haben sie sich inszeniert? Ein wichtiger Bereich der Forschung, um zu verstehen, wie das Lagersystem funktioniert hat. MDR Kulturredakteur Stefan Nölke hat darüber mit Stefan Hördler gesprochen.
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